Die häufigsten Technikfehler beim Kraulschwimmen

Mittlerweile sind es knapp 26 Jahre, die ich im Wasser zu Gange bin, und seit 2007 auch am Beckenrand tätig. Ich habe dabei viel erlebt und vor allem Einiges gesehen – vor allem allerhand interessante Technikfehler. Angefangen vom Kraulbeinschlag, wo der Fuß trotz Flossen komplett dorsal flexiert (Zehen nach oben gezogen) war, bis hin zu Brustbeinschlag-Asymmetrien („Schere“), wo das eine Bein Richtung Decke und das andere Richtung Erdmitte zeigte.

Wenn man sich mit den Betroffenen unterhält, ist es meist so, dass diese nicht einmal merken, dass irgendetwas nicht stimmt. Die Frage „Warum schwimme ich überhaupt so langsam – oder besser: Warum sind die anderen alle schneller als ich“ höre ich nur zu häufig. Und die Antwort ist dann meist ganz einfach: „Wegen deiner (falschen/fehlerhaften/lückenhaften/…) Technik“. Dabei gibt es Technikfehler, die nicht nur massig Vortrieb kosten, sondern im Gegenteil sogar so stark bremsen, dass ein „Nichtbewegen“ fast sinnvoller wäre 😉

 

Dass Technikfehler gemacht werden ist das Natürlichste der Welt. Keiner – ok, es mag die ein oder anderen Naturtalente geben – wird als Gott in einer Sportart geboren. Die optimale Technik – die sich in den verschiedensten Sportarten stetig weiterentwickelt – lernt man erst durch kontinuierliche Wiederholung der Idealbewegung bzw. durch Technikübungen, die sich an diese ideale Bewegungsvorstellung annähern und versuchen einem diese Bewegungsformen näher zu bringen.

Bereits in meinem Blog-Eintrag vom 28. April 2016 hatte ich erwähnt, dass es schwierig ist, sich die Technik selbst beizubringen. Nicht zuletzt, weil die optische Rückmeldung im Schwimmbecken nicht gegeben ist. An Land kann man sich einfach filmen, oder wie z.B. beim Kreuzheben, sich mit Hilfe eines Spiegels selbst kontrollieren. Im Wasser bleibt einem oftmals nur die Rückmeldung des Übungsleiters als Anhaltspunkt.

Heute möchte ich insbesondere auf die häufigsten Technikfehler beim Kraulschwimmen eingehen, und natürlich Hilfestellungen geben, wie man diese Fehler korrigieren kann. Leider ist Schwimmen eine sehr komplexe Sportart – so bedingt oftmals ein Fehler den nächsten. Ein Technikfehler ist daher selten isoliert zu betrachten, sondern muss immer in seiner Gesamtheit bzw. im Kontext zur Gesamtbewegung gesehen werden. Ein Luftmangel kann z.B. viele Ursachen haben und rührt selten daher, dass der Schwimmer zu wenig Ausdauer hat. Ein schlechter Vortrieb aus den Armen kann vielleicht durch eine kleine Korrektur effizienter gemacht werden, doch meist schließen sich viele weitere kleine Fehler mit an, die neutralisiert werden sollten, um gesamthaft ökonomischer voran zu kommen.

 

Im Folgenden werden die aus meiner Erfahrung heraus häufigsten Technikfehler beim Kraulschwimmen erläutert und per Demovideo gezeigt. Dazu erfahrt ihr, wie man diesen Fehler - isoliert betrachtet - am einfachsten, mit Hilfe der typischsten und geeignetsten Technikübung, eliminieren kann:

 

1. Greifen über die Körperlängsachse beim Eintauchen:

Das Eintauchen des Arms erfolgt nicht in Verlängerung der Körperseite (also schulterbreit), sondern die Hand taucht entweder über Wasser bereits vor dem Kopf ein oder wird nach Eintauchen diagonal auf die „andere Seite“ geschoben.

 

Häufige Effekte

  • Schlangenbewegung
  • Außerdem schlechtes Wasserfassen

 

Möglichkeit zur Korrektur

  • Sehr breit schwimmen/eintauchen
  • Wasserballkraul üben
  • Schwimmbrett seitlich mit einer Hand greifen und einarmig Kraul schwimmen

 

2. Armzug zu seitlich neben dem Körper:

Der Armzug wird nicht entsprechend dem bekannten Schlüssellochmuster unterhalb des Schwimmers ausgeführt, sondern komplett neben dem Körper

 

Häufige Effekte

  • Kaum Rotation um Körperlängsachse, wenig Vortrieb
  • Leichtes Schlängeln

 

Möglichkeit zur Korrektur:

  • Fixpunkt unter Wasser suchen, durch den gezogen werden muss
  • Mit Fingerpaddles das Gefühl für den Widerstand erhöhen

 

3. Armzug mit gestreckten Armen – unter Wasser:

Die Arme werden nicht gebeugt, so dass windmühlenartig durchs Wasser gezogen wird

 

Häufige Effekte

  • Statt Vortrieb zu erzeugen durch Abdruck nach hinten am Wasserwiderstand wird dadurch „nach vorne oben“ geschwommen. Das wichtige Wasserfassen wird dabei fast gänzlich vernachlässigt

 

Möglichkeit zur Korrektur:

  • Mit Paddles den Widerstand erhöhen um so zu verdeutlichen, dass der Abdruck in die falsche Richtung erfolgt
  • Mit kleinem Ellbogenwinkel schwimmen
  • An Schlüssellochmuster orientieren

 

 

 

 

4. Rückführen der Arme nach vorne mit gestreckten Armen

Die Arme werden nicht mit dem sog. „hohen Ellbogen“ wieder nach vorne gebracht, sondern seitlich/breit mit oftmals gestrecktem Ellbogengelenk rückgeführt

 

Häufige Effekte

 

  • Keine „Entspannung der Armmuskulatur“ – schnelle Ermüdungserscheinungen
  • Schwache Körperlängsachsendrehung
  • Instabile Wasserlage

 

 

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Achseltippen
  • Reißverschlussschwimmen
  • Arme „ausschütteln“

 

 

 


5. Zu kurzer Armzug – fehlende Druckphase

Der Armzug besteht unter Wasser aus einer Zug- und Druckphase. Wer den Armzug zu früh beendet, verschenkt Zug/-Druckweg.

 

Häufige Effekte

 

  • Hohe Zugfrequenz
  • Zu kurze Gleitphase
  • Unökonomisches Schwimmen

 

 

 

 

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Mit Fingerpaddles den Widerstand erhöhen
  • Bewusst „lang machen“
  • Einarmiges Kraulschwimmen 

 

 

 

 

 

 

6. Zu kurze Gleitphase – falsche Phasenverschiebung

Ein Fehler, der schwierig isoliert zu betrachten ist. Häufig wird fälschlicherweise mit einer (sog.) Phasenverschiebung von 180° geschwommen. Tatsächlich sollte eine Verschiebung des linken zum rechten Arm von ~100° angestrebt werden (je nach Geschwindigkeit und individuell verschieden).

 

Häufige Effekte

 

 

  • Atmung fällt schwer
  • Instabile Wasserlage
  • Fehlender Abdruck am Wasserwiderstand beim Wasserfassen

 

 

 

 

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Abschlagschwimmen
  • Einarmiges Kraulschwimmen, Streckarm „hinten“
  • Bewusst Gleitpausen einbauen

 

 

 


7. Beinschlag: Fahrrad fahren

Anstatt den Beinschlag „aus der Hüfte heraus“ zu schwimmen, wird dieser mit zu stark angezogenen Beinen durchgeführt, so dass die Bewegung der Radfahrbewegung ähnelt.

 

Häufige Effekte

 

  • Kaum Vortrieb
  • Schlechte Wasserlage
  • Bremswirkung des Oberschenkels

 

 

 

 

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Im Sitzen am Beckenrand üben: Wasser zur Decke spritzen mit möglichst gestrecktem Bein
  • Mit Flossen schwimmen
  • Trockenübungen
  • Beinschlag in Seitlage (Supermanstellung)

 

 

 

 

 


8. Kopfhaltung – zu sehr im Nacken

Der Kopf sollte in Verlängerung der Wirbelsäule liegen, um die Angriffsfläche für den Frontalwiderstand möglichst gering zu halten.

 

Häufige Effekte

 

  • Kopf oben, Beine unten
  • Schwache Körperlängsachsenrotation
  • Schlechtes Luftholen

 

 

 

 

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Mit Schnorchel schwimmen
  • Auf den Boden schauen bzw. beim Atmen nach „hinten oben“

 


9. Zu Spätes (Ein-)Atmen

Der Zeitpunkt des Atmens ist verzögert

 

Häufige Effekte

 

  • Fehlerhafte Phasenverschiebung bzw. damit einhergehende „Pause“ am Ende der Druckphase

Möglichkeit zur Korrektur:

 

  • Einarmig schwimmen mit Flossen
  • Bewusste Pausen nach Druckphase
  • Supermanschwimmen

Es gibt noch zahlreiche weitere Technikfehler, die in ihrer Gänze den Rahmen dieses Blogeintrags sprengen würden. Die o.g. Korrekturübungen decken den gesamten Korrekturbereich keinesfalls ab und könnten mit vielen weiteren Übungen ergänzt werden.

Wer den ein oder anderen Fehler bei sich entdeckt hat oder sich sicher ist, dass er einen der o.g. Fehler unfreiwilliger Weise ausführt, sollte schnellsten versuchen diesen abzustellen um ihn nicht noch weiter zu automatisieren. Dabei ist darauf zu achten, dass Technikübungen möglichst isoliert trainiert werden sollten. D.h., wer die Arme trainieren möchte und einen schwachen Beinschlag hat, sollte mit einem Pullbuoy/Pullkick trainieren, um den Auftrieb im Unterkörperbereich sicherzustellen und den Fokus auf die Arme legen zu können. Umgekehrt bietet es sich an den Beinschlag mit Hilfe eines Pullkicks oder Schwimmbretts zu üben.

Ihr habt einen Fehler, der nicht oben genannt wurde oder könnt euch nicht erklären, warum ihr keinen Vortrieb erzeugt? Schreibt mich gerne an oder kommt vorbei.

 

Euer Personal Swim Coach
Julian

 

 

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